Öffentlich genutzte, selbstfahrende Fahrzeuge als Ersatz für den traditionellen, nicht schienenbasierten Personennahverkehr (Busse, Sammeltaxis, Schülerfahrdienste) – ist das die Zukunft des öffentlichen Personennahverkehrs?
Gibt es ein Problem?
Der öffentliche, nicht schienenbasierte Personennahverkehr steckt bereits heute in einem Dilemma. Gerade in ländlichen Regionen sowie Klein- bzw. Mittelgroßen Städten (mit bis zu 40.000 Einwohner), ist diese Dienstleistung sehr häufig für die Kommunen ein Verlustbringer. Das Problem kennt wohl jeder aus eigener Erfahrung: entweder fahren die Busse regelmäßig, dann steigen jedoch die Kosten für die Nutzung (Fahrpreis) oder der Betrieb wird auf die Kernzeiten (Schulbeginn, Schulende, Arbeitsende) fokussiert und damit fällt die Möglichkeit der flexiblen ad-hoc Nutzung weg. Ich selbst kann sagen, dass ich den Bus an meinem Wohnort in den Jahren seit ich dort lebe nur maximal fünfmal genutzt habe. Und mit dieser stark eingeschränkten Nutzungsmöglichkeit sinkt wiederum die Akzeptanz, damit die Nutzerzahl, damit die Einnahmen und damit steigen die Kosten. Dies kann entweder wieder auf die Fahrpreise umgelegt werden oder die Verluste übernehmen die Kommunen, und damit der Steuerzahler. Um es dramatisch zu formulieren: es ist eine Todesspirale.
Nun bin ich fest davon überzeugt, dass sich autonom fahrende Fahrzeuge in den nächsten 10 Jahren durchsetzen werden. Daher möchte ich hier ein Gedankenmodell durchspielen, welches darauf aufbaut, dass der öffentliche Personennahverkehr von selbst-fahrenden Fahrzeugen übernommen wird.
Was wären die Folgen? Wie könnte so etwas aussehen? Hier nun ein paar Gedanken dazu.
Gibt es dafür eine App?
Eine wichtige Voraussetzung für die Nutzung autonomer Fahrzeuge im öffentlichen PNV ist die Vernetzung der Nutzer mit den Anbietern. D. h. die Nutzer des Dienstes haben eine Anwendung auf ihrem Smartphone, mit der sie die Nutzung ankündigen. Dies kann ad-hoc geschehen – also in dem Moment wenn der Passagier gefahren werden möchte – oder „auf Bestellung“.
Die „Bestellung“ eines Fahrzeugs funktioniert wie folgt: in der App des Anbieters wird hinterlegt, wann und wo der Passagier abgeholt werden möchte und wohin es gehen soll. In etwa so, wie wenn man heute ein Taxi bestellt und man mitteilt, der Fahrer möchte am nächsten Morgen um 7:00 Uhr den Passagier Zuhause abholen und zum Flughafen bringen. Nur eben mittels einer App auf einem Smartphone oder einer Smartwatch.
Die Ad-hoc Nutzung kann man sich vorstellen, wie z. B. Uber oder Lyft bereits heute funktionieren. Man startet auf seinem Smartphone eine App und bestellt ein Fahrzeug zu seinem derzeitigen Standort und teilt seinen Zielort mit. Es kommt ein Fahrer vorbei, man steigt ein und es geht los.
Und so wie dies heute bereits mit Taxi-Apps, Uber oder Lyft funktioniert, könnte dies auch mit selbstfahrenden Autos funktionieren. Wurde ein Fahrzeug bestellt, so fährt dieses zum Kunden. Nur eben ohne Fahrer – völlig autonom. Man steigt ein und läßt sich zu seinem Zielort chauffieren.
Gerade nicht benötigte Fahrzeuge parken in dafür vorgesehenen Bereichen und warten auf Ihren Einsatz oder fahren zum Sammelpunkt zurück. Diese Sammelpunkte haben noch weitere Aufgaben: die Fahrzeuge werden vorgehalten, sie müssen gewartet, gepflegt, geladen (den sie fahren mit Strom) und auch abgestellt werden. Dies könnte z. B. in den bereits heute vorhandenen Busdepots geschehen. Nur eben mit selbstfahrenden Fahrzeuge. Diese Fahrzeuge müssen natürlich so gebaut sein, das nichts beschädigt, zerstört oder manipuliert werden kann. Wobei jeder Mitfahrer zukünftig nicht mehr anonym ist da man sich mit dem Smartphone oder der Smartwatch identifiziert damit das Fahrzeug weiß, wohin es zur Abholung fahren soll bzw. das Fahrtziel ist.
Ein solches Fahrzeug ist von den Außenabmessungen etwa auf dem Niveau heutiger Kleinwagen. Ähnlich dem Google Auto. Platz für 2 Personen plus Gepäck. Kein Fahrer – nur Einsteigen und man wird chauffiert.
Wird der Service für mehr Personen benötigt so gibt es die Möglichkeit größerer Fahrzeuge mit mehr Platz und Kofferraum zu buchen.
Müssen wir alle alleine fahren?
Doch wie könnte es bei größerer Nachfrage, z. B. bei Stoßzeiten funktionieren. Hier wäre es durchaus ökonomischer, wenn nicht viele Einzelfahrzeuge sondern mehrere Sammelfahrzeuge die Nachfrage bedienen könnten. Wie z. B. beim täglichen Schulbeginn – hier müssen in kurzer Zeit möglichst viele Passagiere transportiert werden.
Doch woher weiß man, wann die Nachfrage groß ist bzw. groß sein könnte und wann nicht. Hier kommen predictive Analysis und entsprechende statistische Verfahren zum Einsatz. Kombiniert mit im Voraus gebuchten Bestellungen. Hier können Funktionalitäten ähnlich wie bei Terminkalendern bereitgestellt werden. Z. B. wiederkehrende Termine an gleichen Tagen, jede Woche oder ähnliches. Kombiniert mit dem Schulferienkalender ist dann sehr schnell klar, welche Nachfrage besteht und wie viele dieser Sammelfahrzeuge eingesetzt werden müssen.
Und was ist mit den Haltestellen und dem „klassischen“ Busverkehr?
Ob dieses dann noch sinnvoll ist, wenn es viele „kleinere“ Fahrzeuge gibt, die Personen an beliebigen Stellen abholen können ist derzeit nur sehr schwer zu beurteilen. Zu bestimmten Uhrzeiten und Gelegenheiten kann dies durchaus sinnvoll sein – wie eben die Schulbusse. Aber darüber hinaus? Tendenziell vermutlich eher nicht.
Und wann ist es soweit?
Dies ist natürlich schwer vorherzusagen. Tendenziell dürfte es wohl noch mindestens fünf Jahre dauern, bis voll automatisiert fahrende Autos im öffentlichen Straßenverkehr einsetzbar sind und die gesetzlichen Grundlagen geschaffen wurden.
Aber was ist bis dahin?
Auch hierfür gibt es entsprechende Denkmodelle. Eines ist z. B. das man ein System ähnlich wie dem von Uber übernimmt jedoch regional adaptiert einsetzt. D. h. es gibt vom regionalen ÖPNV Anbieter eine App mit der man Fahrten von A nach B anmelden kann. Ad-hoc oder zu einer bestimmten Zeit, Abhol- und Zielort. Und es gibt entsprechende Fahrer, die solche Fahrten annehmen. Ein denkbares Szenario: eine Mutter fährt regelmäßig ihr Kind in den nächsten Ort zum Sport; auf dieser Fahrt könnte sie jederzeit noch jemanden mitnehmen, der auch in diesen Ort muß. Als Fahrer meldet sie, dass sie regelmäßig an bestimmten Tagen diese Strecke fährt; ein möglicher Mitfahrer meldet den Bedarf für eine solche Fahrt an, das System zeigt das die Fahrerin zu einer bestimmten Uhrzeit diese Strecke fährt; der potentielle Mitfahrer nimmt an und die Vermittlung ist zustande gekommen. Es wird ein fester Mitnahmepunkt, z. B. eine Bushaltestelle, vereinbart. Und für die Fahrt bekommt die Fahrerin etwas und der Mitfahrer muß etwas zahlen. Als Gesellschaftsform könnte hier über eine Genossenschaft nachgedacht werden; jedes Mitglied darf den Service anbieten bzw. nutzen.
Mit diesem System könnten auch die derzeitigen Schwachpunkte des ÖPNV in ländlichen Regionen durch die Einbindung privater Fahrer bereits heute teilweise vermindert werden.